Das Marketing im Mittelstand ist am Ende

10 Thesen, warum das Marketing im Mittelstand am Ende ist und wie es weiter geht:

1. Bitte keine Werbung.

Immer noch erlebe ich bei Marken und Markenmachern im Mittelstand, dass sie vorab definierten Zielgruppen Informationen und Werbebotschaften zu ihren Produkten und Dienstleistungen zukommen lassen. Sie drücken sie massenweise in den Markt, Push-Marketing genannt. Über Werbung im Fernsehen, Infoscreens, Plakatwände an jeder Bushaltestelle, Werbebriefe, Werbemails, Werbebanner im Web. Das Resultat: Durchschnittlich erreichen jeden Menschen 3000 Werbebotschaften pro Tag. Briefkästen tragen Hinweisschilder „Bitte keine Werbung“, Spamfilter regieren im Posteingang, Adblocker sind Standard in den Browsern. Das menschliche Gehirn ist gegen Pushmarketing abgestumpft. Das Kleinhirn der Entscheider meldet: Keine Zeit, kein Geld. Umsätze gehen zurück. Marktanteile gehen verloren.

2. Optional-in.

Wenn der Mittelstand in Zeiten von Globalisierung, fragmentierten Märkten und Information-Overload Entscheider erreichen will, muss er die Menschen so neugierig machen, dass sie freiwillig Markenbotschaften in Form von Tweets, Facebookstatusmeldungen, Emails, RSS-Feeds, Anrufen empfangen möchten. Noch besser: Dass sie von selbst anrufen! Was motiviert Menschen, einen Markensender einzuschalten?

3. Das Freiwillige mit dem Nützlichen verbinden.

Marken müssen Mehrwert liefern. Neben einem guten Gefühl, muss jede Botschaft dem Empfänger einen Nutzen stiften. Aufmerksamkeit der Kunden erreicht man, indem man sich mit der Welt der Kunden beschäftigt, mit dem, was sie brauchen, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind, was sie mit dem Produkt tun, wie eine Dienstleistung ihr Leben verbessern kann.

4. Marken erzählen Geschichten, keine Märchen.

Die Welt der Kunden besser zu machen, sollte die Zielsetzung jedes Produkts und jeder Dienstleistung und damit jeder Marke sein. Versprechen tun es viele, halten wenige. Seit 2003 wirbt die Deutsche Bank mit „Leistung aus Leidenschaft“. Ein Versprechen, das sie nicht halten konnte. Viele Kunden fühlen sich nicht ernst genommen. Das Vertrauen ist verspielt. Marken müssen nicht das Blaue vom Himmel versprechen. Es genügt, eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen. Ziel muss sein: Das Besondere einer Marke mit der Wirklichkeit der Kunden zu verknüpfen.

5. Die Markengeschichte ist keine lineare Erzählung.  

Es geht dabei nicht um eine lineare Geschichte mit Anfang und Happy End, sondern um eine logische Verknüpfung von Assoziationen, die beim Menschen ausgelöst werden sollen. Es geht nicht mit Zahlen, Daten, Fakten oder eine chronologisch erzählte Firmenhistorie. Bei Kaufentscheidungen sind emotionale Assoziationen, die mit der Markenkommunikation transportiert und unbewusst mit der Marke verbunden werden, auschlaggebend. Die Glieder einer solchen Assoziationskette können kurze Geschichten, Erfahrungen und Erfolge, aber auch Bilder sein. Unternehmen, die künftig Markengeschichte schreiben wollen, verbinden die Essenz ihrer Markenstory mit jeder Aktivität. 

6. Marken vernetzen Menschen und Ideen.

Im Mittelpunkt der Kommunikationsstrategie steht nicht das Produkt. Der gute Geschichtenerzähler bezieht sein Publikum ein. Eine erfolgreiche Marke lebt von der Interaktion. Entscheider identifizieren sich viel stärker mit dem Grund, warum ein Unternehmer etwas tut, als mit der Beschreibung dessen, was ein Unternehmen kann. Die Idee, gemeinsam etwas bewegen zu wollen und zu können, ist das beste Einkaufsargument.

7. Machen Sie sich angreifbar.

Die meisten Produkte und Dienstleistungen werden über Empfehlungen gekauft. Diese Empfehlungsgespräche finden außerhalb der Reichweite des Unternehmens statt. Beziehungen zu Kunden und potenziellen Kunden sollten so aufgebaut sein, dass die Unternehmen Teil der Unterhaltungen werden. Bislang verschanzt sich das Marketing im Mittelstand in Kommunikationssilos mit Einbahnstraßenkommunikation. Die Silos müssen sich öffnen. An-greifbar werden im besten Sinne. Nur wer begreift, wird zugreifen.

8. Dezentralisierung der Kommunikation.

Die klassischen Stabsabteilung Marketing und PR müssen die Kommunikationshoheit abgeben. Sie nehmen künftig die Rolle des Kurators und des Moderators ein. Der Dialog wird delegiert an Mitarbeiter in den Fachabteilungen, an die Touchpoints, an das Netzwerk, an die Kunden. Nur das schafft Authentizität und Glaubwürdigkeit und somit Vertrauen. Menschen möchten ungefilterte Informationen, echten Dialog, keinen Newsstream.

9. Das Marketing ist agil.

Marken, die in Zukunft auf dem Markt Bestand haben wollen, müssen veränderungsfähig sein. Strategien haben in einer komplexen und sich schnell verändernden Welt eine kurze Haltbarkeit. Gerade im Online-Marketing ist eine Just-in-Time-Bewegung zu erkennen.

10. Nicht perfekt. Ein bisschen besser.

Mit der Veränderungsfähigkeit und der Dezentralisierung verabschieden wir uns von der einen perfekten Botschaft, dem einen alles erklärenden Slogan. Es gibt ihn nicht und es braucht ihn nicht. Es braucht Menschen, die miteinander sprechen, die gemeinsam etwas erleben, die antreten, die Welt ihrer Kunden ein bisschen besser zu machen.

 

Comments (16)

  1. „Die Idee, gemeinsam etwas bewegen zu wollen“.
    Genau. Ich glaube auch, dass die Leute müde sind, vom Werbesprech und Platitüden.
    Vertrieb kommt von „Vertreiben“.

    Gemeinsamkeit, Schnittmengen, das halte ich für die Ansatzpunkte für zukunftsorientiertes Marketing. Oder das der Gegenwart. Wenn es dann noch Marketing im engeren Sinne ist.

    „Märkte sind Gespräche“ würde dann endlich mal passen. 😉

    • Maren Martschenko

      Lieber Lars, da sprichst Du wahre Worte! Es sind die Grundwerte einer erfolgreichen Unternehmensführung, nicht nur des Marketings. Sie finden ihre Ausprägung in der marktorientierten Unternehmensführung in Form von Gesprächen mit dem Markt. Wobei ich unter Markt alle Geschäftspartner, Kunden, Mitarbeiter und solche, die es werden wollen, verstehe. Mein Credo lautet: Gute Gespräche führen zu guten Beziehungen und gute Beziehungen zu guten Geschäften. Gerne ganz systematisch bei einer Tasse Kaffee 🙂

  2. Liebe Frau Martschenko, was für ein treffender Artikel!! Ich stimme Ihnen auf ganzer Linie zu und kann aus eigener Erfahrung berichten, dass wir mit genau diesem Ansatz – mit dem Verbraucher in den Dialog zu treten, sich transparent, offen und angreifbar zu zeigen, Erfolg haben und wachsen! Ich druck‘ das aus und lege es meinen Vertriebsleuten auf den Schreibtisch! Liebe Grüße, Anita Freitag-Meyer von der Verdener Keks- und Waffelfabrik Hans Freitag und dem Keksblog

    • Maren Martschenko

      Liebe Frau Freitag-Meyer, herzlichen Dank für Ihre schöne Rückmeldung. Das freut mich sehr zu lesen! Mit den „Likies“ haben Sie ja auch eine wunderbare Produktidee, die das lebt. Sie kommen doch auf den Markt, oder?! Ich bestelle schon mal… 🙂

  3. […] Bitte keine Werbung. Immer noch erlebe ich bei Marken und Markenmachern im Mittelstand, dass sie vorab definierten Zielgruppen Informationen und Werbebotschaften zu ihren Produkten und Dienstleistungen zukommen lassen.  […]

  4. Gerade bei den mittelständischen Unternehmen wird viel Wert auf die Kundenbeziehung bzw. Kundenbindung gelegt. Da kennt man sich evtl. persönlich, tauscht private Worte aus uvm.

    • Maren Martschenko

      Das steht außer Frage! Die engen Beziehung sind auch essenziell für das Empfehlungsmarketing. Das genügt aber nicht, um auch in Zukunft nachhaltig erfolgreich am Markt zu bestehen, qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen, neue Kunden zu gewinnen.

  5. […] 10 Thesen, warum das Marketing im Mittelstand am Ende ist und wie es weitergeht Maren Martschenko (@zehnbar) in Martschenko Markenberatung: Bitte keine Werbung. Immer noch erlebe […]

  6. kraft karl

    Unheimlich viele Themen in diesem Beitrag. Ich möchte lediglich zum Thema Kommunikation im Unternehmen eingehen. Nach meiner Auffassung befinden sich die interne Kommunikation und Vertrieb/Marketing in absoluter Wechselwirkung zueinander. Ein noch so gutes Marketing kann eine miserable Kommunikationskultur als Schwäche eines Unternehmens, nicht kompensieren. Und beides muss natürlich auf eine Zielgruppe ausgerichtet sein. Vertrieb/Marketing und Belegschaften bieten Hand in Hand den Kundennutzen.
    Eine Markenbildung beginnt n. m. Erfahrung mit der Unternehmenskultur. Nicht nur der Kunde entscheidet beim Kauf emotional auch die Führungskräfte und die Mitarbeiter handeln emotional.

  7. […] Markenberatung, hat kürzlich einen wirklich lesenswerten, vielbeachteten Blogartikel zum Thema “Das Marketing im Mittelstand ist am Ende” veröffentlicht. Darin ging  es unter anderem um Glaubwürdigkeit und die folgende Aussage: […]

  8. […] Markenberatung, hat kürzlich einen wirklich lesenswerten, vielbeachteten Blogartikel zum Thema “Das Marketing im Mittelstand ist am Ende” veröffentlicht. Darin ging  es unter anderem um Glaubwürdigkeit und die folgende Aussage: […]

  9. Hallo Frau Martschenko.

    Reichweite und Frequenz ohne Mehrwert unterwandern die Markenempathie. Das Folgende unterschreibe ich also definitiv: „Marken müssen Mehrwert liefern“…und eben nicht nur Reichweite erlangen oder anderweitig aggressiv Präsenz zeigen. Verbindet man beides, ist man auf dem Weg zu guter und nachhaltiger Markenarbeit durch ein gelebtes Markenversprechen.

    Gerade der Mittelstand ist total sensibilisiert, was Ratschläge von Marketingexperten angeht. Hier wurde viel Porzellan zerschlagen. Das macht es uns, die wir anständige und solide Markenarbeit abliefern, nicht unbedingt einfacher…und der Mittelstand leidet langfristig auch unter seiner Skepsis externem Wissen gegenüber.

    Lustig, darüber haben wir gestern auch gerade geschrieben: http://www.marketing-boerse.de/Fachartikel/details/1338-Ueber-13000-Werbebotschaften-bombardieren-uns-taeglich-Was-bleibt/44276

    Und das unterschreibe ich auch: „Markenführung ist Teil des Marketings ist Teil der Unternehmensführung ist Teil der Unternehmenskultur“ Treffende Analogie. Dazu empfehle ich auch unserrn Artikel „Der Niedergang von Traditionsmarken. Versuch einer Erklärung.“

    Gruß, O. Marquardt

  10. Klasse Artikel, liebe Frau Martschenko! Vor allem mit dem Satz „Bitte keine Werbung!“ sprechen Sie vielen Endverbrauchern, aber auch teilweise Marketing- und PR-Profis aus dem Herzen. Die Zeiten der Ein-Weg-Kommunikation gehen seit Social Media langsam zu Ende und immer mehr Unternehmen merken, dass Strategien a la „wir müllen die Konsumenten zu, ein paar von denen werden schon kaufen“ nicht mehr ziehen.

    Sehr interessant aus PR-Sicht finde ich vor allem Ihren Satz: „Entscheider identifizieren sich viel stärker mit dem Grund, warum ein Unternehmer etwas tut, als mit der Beschreibung dessen, was ein Unternehmen kann.“ Davon lebt zum Beispiel das sehr beliebte Format des Unternehmer-Interviews. Klar geben hier viele Firmenchefs politische Statements ab. Aber so ein Interview, in dem ich auch einiges über die persönliche Philosophie und Weltanschauung des Firmenlenkers erfahre, ist wesentlich glaubwürdiger als die geschliffenen Marketing-Sätze in der Hochglanz-Broschüre. Es geht um Inhalte, Glaubwürdigkeit und Nutzen, und die Zielgruppen verlangen zunehmend einen Dialog „auf Augenhöhe“ – wer das nicht leisten kann oder will, verabschiedet sich langsam aber sicher vom Markt.

    Viele Grüße, B. Lukas

    • Maren Martschenko

      Lieber Herr Lukas, vielen Dank für Ihr Feedback. Stimmt, Interviews sind ein hervorragendes Instrument, Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufzubauen. Die klassische PR ist noch längst nicht am Ende, aber auch sie muss sich reformieren. Vorallem in ihren eigenen Strukturen. Die Agenturlandschaft wird in 10 Jahren deutlich anders aussehen. Ich jedenfalls stelle mir schon die Frage, wie ich 2020 arbeiten werde.

  11. […] –  “Das Marketing im Mittelstand ist am Ende” […]

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